„Selbstbestimmung und Zusammenhalt“ – Pride-Demo Bonn positioniert Forderungen zum Motto

Pride-Demo Bonn 2021

„Selbstbestimmung und Zusammenhalt“ – Pride-Demo Bonn positioniert Forderungen zum Motto – Berührende Reden zur Situation von Betroffenen
R(h)einqueer war dabei

Teilnehmerbericht von Jürgen Rohrbach, Vorstand r(h)einqueer:

Unter dem Motto „Selbstbestimmung und Zusammenhalt“ präsentierten und positionierten fast 500 Teilnehmer*innen mit der Pride Demo Bonn ihre Forderungen am letzten Samstag im Juli in der Bonner Innenstadt. Die Aids-Hilfe Bonn hatte mit ihren Partnergruppen die Veranstaltung hervorragend geplant und organisiert. Der Infektionsschutz der Teilnehmer*innen und Zuschauer*innen wurde, entgegen den im Vorfeld geäußerten Befürchtungen der Stadtverwaltung und des Verwaltungsgerichtes, gewahrt und die Demonstration verlief sehr diszipliniert, so dass die begleitende Polizei nirgendwo eingreifen musste.

Etwa 7,5 Prozent der Deutschen identifizieren sich als LGBTQ+, das sind rund sechs Millionen Menschen. 

Es gibt verschiedene Gruppierungen innerhalb der queeren Szene LGBTQ+; dies ist die Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen. 

Zur Pride-Demo Bonn fanden sich Mitglieder der Gruppen Aids-Hilfe mit Herzenslust, GAP (Bonns Jugendtreff für alle genderqueeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen), Schlau Bonn, r(h)einqueer Bonn e.V., Queer handicap, Bi POC (Black, indigenous People and People of Color) sowie des Queer-Referats des ASTA der Uni Bonn.

Treffpunkt war um 11.30 Uhr auf der Rheinaustraße in Beuel, der Start verzögerte sich allerdings um etwa eine Stunde. Zunächst erhielten die Teilnehmer*innen deutliche Hinweise zum Hygieneschutz und wurden dann in Blöcke eingeteilt.

Nach Abspielen eines Grußwortes von Oberbürgermeisterin Katja Dörner, die sich sehr positiv zur Demonstration und zur Vielfalt in der Stadt Bonn äußerte, ging es los. Der Demonstrationszug zog entlang der Friedrich-Breuer-Straße, über die Kennedybrücke bis zum Bertha-von-Suttner-Platz. Von dort ging es weiter durch die Stadt entlang der Oxfordstraße, über die Kasernenstraße auf den Friedensplatz und durch die Vivatsgasse bis zum Münsterplatz. Dort fand eine abschließende Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen statt

Besonders wurden die Teilnehmer*innen von den Beschreibungen Einzelner aus der Community berührt, die ihre Lebenssituation verstärkt vor dem Hintergrund von Corona schilderten. Eine selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebens war für die meisten von ihnen während dieser Zeit besonders schwierig.

In der ersten Rede ging Elisha auf die Reform des Transsexuellen-Gesetzes (TSG) ein, die insbesondere von CDU und AFD verhindert wurde, doch auch die SPD habe sich zurückgezogen. Elisha fühle sich hier von der Politik verraten.

Noah ging ebenfalls auf das Transsexuellen-Gesetz ein und beschrieb Demütigungen, die er selbst über drei Jahre hinweg erfahren hat, wie zum Beispiel bei der Anpassung seines Namens und Geschlechtseintrages als transgeschlechtlicher Mensch. 

Er vermisse u.a. Wissen und Wahrnehmung in Verwaltungen zu non-binären Ausrichtungen und benannte weiterhin Probleme beim Adoptionsprozess für gleichgeschlechtliche Paare, bei der Personenstandsänderung bis hin zu häufigen Widersprüchen bei Kostenzusagen.

Er forderte die Abschaffung des bestehenden Transsexuellen-Gesetzes und betonte das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper.

Daniel Krämer von der organisierenden Aids Hilfe Bonn trat für die Akzeptanz offener Lebensweisen ein. Er und Finn Müller, Jugendarbeiter im GAP sowie Fabian von der Gruppe „Schlau Bonn“ zeigten auf, welche Schwierigkeiten Corona der queeren Community beschert hat. Viele Präventionsangebote und Veranstaltungen zu HIV sowie kostenfreie anonyme Testangebote standen teils nicht zur Verfügung. Wichtige Anlaufstellen und Jugendtreffpunkte waren für die jungen queeren Menschen, die in ihren Familien wenig Akzeptanz finden und umso mehr Kontakt zu Gleichgesinnten brauchen, geschlossen.

Die drei forderten von der Stadt und Gesellschaft mehr Solidarität im Hinblick auf ihre vielfältige Zusammensetzung.

Die Gruppe „queer handicap bundesweit“ wurde durch Tobias vertreten. Er wünsche sich, dass Barrieren in Köpfen abgebaut werden und Bewusstsein für andere Lebensmodelle geschaffen wird. Dazu verwies er auf die Pride in Köln am 5.9. An diesem Tag wird es in der Auferstehungskirche auch ein Konzert geben.

Daniela von „Schlau Bonn“ beschrieb die wichtige queere Bildungsarbeit, die ihre Gruppe für Bonn leistet. Auch hier hat die Pandemie viele Arbeiten eingeschränkt, Förderungen sind unsicher geworden und Projekte von Kürzungen bedroht.

Wissen über queeres Leben und bestehende Rechte zu vermitteln, für Sichtbarkeit dieses Lebens in Schule und Alltagsgesprächen zu sorgen, Begriffe in der Öffentlichkeit zu erklären, persönliche Bekenntnisse zu fördern, hält Daniela für sehr wichtig und sie ist froh über die große Zahl ehrenamtlicher Mithelfer*innen in Bonn.

Sie verwies darauf, dass in Russland seit 2013 Einschränkungen, in Ungarn seit Juni grobe Einschränkungen für homo- und transsexuelle queere Menschen bestehen. Ein neues Gesetz verbietet dort sogar Aufklärungs- und Bildungsarbeit im LGBTO+ Kontext.  Daniela machte eindringlich klar, dass wir in allen Ländern gegen diese Entwicklungen angehen müssen.

Ein anderes Problem beschrieb Lydia vom Organisationsteam. Als Juristin stellte sie ein in NRW geplantes neues Versammlungsgesetz vor. Bei Versammlungen ab einer Beteiligung von 100 Personen sollen künftig alle mit Namen und Adresse registriert werden sowie das offizielle Filmen dieser Veranstaltungen erlaubt sein. Die Polizei erhielte dabei großen Auslegungsspielraum.

Sie forderte zur Teilnahme an einer Demo am 28. August in Düsseldorf auf.

Durchaus kritische Worte zur Pride-Demo Bonn fand ein Vertreter von Bi PoC (Bisexuelle Person of Colour). Rassismus sei selbst in queeren Communities vorhanden. So fühle sich seine Gruppe bislang in Bonn ausgeschlossen.

Auch r(h)einqueer Bonn war mit mehreren Mitgliedern bei der Pride vertreten. Aus unserer Sicht war die Demo sehr erfolgreich. 

Für uns zeigte sich erneut wie wichtig es ist, dass die verschiedenen queeren Gruppen in Bonn sich vernetzen und zum Austausch treffen.

Hier will r(h)einqueer eine Anlaufstelle für einen „Runden Tisch“ schaffen, an dem Themen, die uns allen wichtig sind und für die wir uns gemeinsam einsetzen wollen, diskutiert werden können.

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